OLG Hamm, Urteil vom 02.03.2010, Az. 4 U 208/09 – Bade-Entchen – In dem zu entscheidenden Streit um Abmahnung und Erlaß einer einstweiligen Verfügung ging es nicht um einen bekannten Schauspieler. Ganz real wurde offenbar wegen Bade-Entchen ein erbitterter Streit geführt – oder vielleicht doch wegen der Abmahnkosten? Juristisch ist der Streit aber in einem Punkt interessant: Der Kauf auf Probe.
Redaktionelle Leitsätze:
- Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Versandkosten anfallen, darf nicht erst erkennbar sein, indem dieser Hinweis durch Scrollen der Internet-Seite eingesehen werden kann.
- Bei einem Online-Kauf auf Probe ist in der Widerrufbelehrung anzufügen: „Sie können gelieferte Waren ohne Angabe von Gründen innerhalb von 14 Tagen zurückgeben. Der Kaufvertrag/Kreditkaufvertrag wird nach Erhalt der Ware durch Ihre Billigung bindend, spätestens jedoch nach Ablauf dieser 14-tätigen Rückgabefrist.“
Anm. RA Exner, Kiel: Wie aus der Entscheidung ersichtlich, kann durch die Vereinbarung eines „Kaufs auf Probe“ das Widerrufs- bzw. Rückgaberecht aus dem Fernabsatzrecht nicht umgangen werden. Andernfalls könnten Online-Angebote den Vertragsschluss schlicht auf den Zeitpunkt verlagern, in dem der Kunde die Ware zur Ansicht erhält und dann eine kürzere, als die gesetzliche 14-täge Frist zur Annahme der Ware bestimmen. Das würde das gesetzliche Widerrufs- bzw. Rückgaberecht aushöhlen und eine Umgehung des Verbraucherschutzes möglich machen. In der Praxis wird dies auch mir als beratendem Anwalt immer wieder von Online-Händlern vorgeschlagen, um die Frist zu verkürzen. Künftig werde ich dann beim Thema „Kauf auf Probe“ nurmehr auf diese Entscheidung des OLG Hamm verweisen … Einen gewissen Humor sollte man sich für die ausdrücklich Erwähnung der „Bade-Entchen“ durch das Gericht aufsparen, auch wenn das beim Thema Abmahnung manchmal schwer fällt.
Rechtsanwalt Siegfried Exner, Kiel – www.jur-blog.de
OLG Hamm: Abmahnung und einweilige Verfügung bei Mängeln der Internet-Preisangabe, Widerrufsbelehrung und Kauf auf Probe
OLG Hamm, Urteil vom 02.03.2010, Az. 4 U 208/09
Tenor
Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 07. Oktober 2009 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum abgeändert.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt,
es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Angebot von Waren an Verbraucher im Fernabsatz im Internet Badeenten anzubieten
1. ohne zugeordnet zu den Warenangeboten nur am unteren Ende der Internetseite darauf hinzuweisen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Versandkosten anfallen, wenn dieser Hinweis erst durch Scrollen der Seite eingesehen werden kann
und/oder
2. ohne zugeordnet zu den Warenangeboten nur am unteren Ende der Internetseite darauf hinzuweisen, dass die genannten Preise die Mehrwertsteuer enthalten
und/oder
3. im Rahmen von allgemeinen Geschäftsbedingungen die folgende Klausel zu verwenden:
Bei P kaufen Sie auf Probe, d.h., Sie können gelieferte Waren ohne Angabe von Gründen innerhalb von 14 Tagen zurückgeben. Der Kaufvertrag/Kreditkaufvertrag wird nach Erhalt der Ware durch Ihre Billigung bin-dend, spätestens jedoch nach Ablauf dieser 14-tätigen Rückgabefrist.
wenn gleichzeitig in einer Belehrung über das Widerrufs- bzw. Rückgaberecht die folgende Formulierung verwendet wird:
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) oder – wenn Ihnen die Ware vor Fristablauf überlassen wird – durch Rücksendung der Ware wider¬rufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Text-form, jedoch nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger und nicht vor der Erfüllung unserer Informationspflichten gemäß § 312 c Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1, 2 und 4 BGB-InfoV und § 312 e Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 3 BGB-InfoV und auch nicht bevor der Kaufver-trag durch Ihre Billigung des gekauften Gegenstandes für Sie bindend geworden ist.
wenn dies wie in Anlage ASt 1 und ASt 2 ersichtlich geschieht.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Antragsgegnerin. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Sachverhalt
Der Antragsteller vertreibt über das Internet bundesweit Badeenten. Badeenten „E“ gehören auch zu der umfangreichen Produktpalette der Antragsgegnerin.
Auf der Internetseite des Online-Shops der Antragsgegnerin ist beim Aufruf eines Artikels – ebenso wie bei dem Aufruf anderer Seiten des Onlineshops – jeweils im Sinne einer Fußzeile u.a. vermerkt „Preisangabe inkl. gesetzl. MwSt. und zzgl. Service-und Versandkosten“. Der Text „Service- und Versandkosten“ ist mit einem Hyperlink versehen, der ein Fenster öffnet, in dem durch Klick auf „P“ die anfallenden Versandkosten angegeben werden.
Die oben genannte Fußzeile ist – abhängig von der jeweils eingestellten Bildschirmauflösung – vielfach beim Aufruf einer Seite des Online-Shops der Verfügungsbeklagten nicht unmittelbar sichtbar, sondern nur durch ein Scrollen nach unten sichtbar. Wegen der Einzelheiten der Gestaltung der Internetseite des Online-Shops der Antragsgegnerin wird auf die Ablichtungen Blatt 48 bis 50 der Akte verwiesen.
Im Rahmen ihres Internetauftritts verwendet die Antragsgegnerin in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) die nachfolgende Klausel:
Bei P kaufen Sie auf Probe, d. h. Sie können gelieferte Ware ohne Angabe von Gründen innerhalb von 14 Tagen zurückgeben. Der Kaufvertrag/Kreditkaufvertrag wird nach Erhalt der Ware durch Ihre Billigung bindend, spätestens jedoch nach Ablauf dieser 14-tägigen Rückgabefrist.
In einem umrandeten Kasten mit der Überschrift „Widerrufsbelehrung“ finden sich ferner die nachfolgenden Ausführungen:
Widerrufsrecht:
Sie können ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) oder -wenn Ihnen die Ware vor Fristablauf überlassen wird – durch Rücksendung der Ware widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform jedoch nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger und nicht vor der Erfüllung unserer Informationspflichten gemäß § 312 c Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1, 2 und 4 BGB-lnfoV und § 312 e Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 3 BGB-lnfoV und auch nicht bevor der Kaufvertrag durch Ihre Billigung des gekauften Gegenstandes für Sie bindend geworden ist. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Ware. Der Widerruf oder die Rücksendung der Ware sind zu richten an: P (GmbH & Co KG), 20088 I.
(Wegen der weiteren Einzelheiten der von der Verfügungsbeklagten im Rahmen ihres Internetauftritts bei ihrem Online-Shop verwendeten allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie der dort zu findenden Widerrufsbelehrung wird auf Blatt 51 und 52 der Akte verwiesen.)
(…) Das Landgericht hat durch Urteil vom 7. Oktober 2009 (entschieden d)ie Antragsgegnerin genüge bei ihrem Internetauftritt unter „Internetadresse“ den Anforderungen der Preisangabenverordnung. Die Hinweise auf die Mehrwertsteuer und auf die Versandkosten befänden sich unmittelbar auf der Seite des aufgerufenen Artikels. Dass der Verbraucher an die Informationen teilweise erst durch ein Scrollen nach unten gelange, sei unschädlich. Daran sei der Internetnutzer gewöhnt. Auch die im Hinblick auf den Verfügungsantrag zu 3. erhobene Rüge greife nicht durch. Schon durch die räumliche und optische Trennung werde dem Käufer deutlich vor Augen geführt, dass hier zwei Rechtsinstitute mit unterschiedlichen Anknüpfungspunkten nebeneinander stünden. Diese eröffneten zeitlich aufeinanderfolgend jeweils eigenständig die Möglichkeit, die Ware einerseits noch vor Vertragsschluss innerhalb von maximal 14 Tagen zurückzugeben und andererseits, wenn dies nicht geschehen sei, und es zum Vertragsabschluss gekommen sei, innerhalb von 14 Tagen die zum Vertrag führende Willenserklärung zu widerrufen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat das Landgericht zu 3/5 dem Antragsteller und zu 2/5 der Antragsgegnerin auferlegt. Diese Kostenbelastung der Antragsgegnerin hat das Landgericht daraus hergeleitet, dass die Antragsgegnerin hinsichtlich der erledigte Verbotsanträge mutmaßlich unterlegen gewesen wäre und deshalb nach § 91 a ZPO die Kosten insoweit tragen müsse.
Gegen dieses Urteil hat der Antragsteller form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er die Verfügungsanträge zu 1. – 3. weiterverfolgt. Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages trägt der Antragsteller vor, bei dem Angebot der Antragsgegnerin sei für den Kunden nicht ersichtlich, dass überhaupt Versandkosten anfielen. (…)
Entscheidung
Die Berufung der Antragstellerin ist begründet. Das Landgericht hat die noch im Streit verbliebenen Verbotsanträge dem Antragsteller zu Unrecht aberkannt.
Diese Anträge sind hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO. Denn die Bezugnahme auf die Anlagen ASt 1 und ASt 2 bezieht sich auf sämtliche drei Anträge, so dass bei sämtlichen drei Anträgen die konkrete Verletzungsform in die Verbotsformel einbezogen ist.
Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist hier nicht widerlegt. Wie bereits das Landgericht im angefochtenen Urteil unwidersprochen festgestellt hat, ist der Antrag auf einstweilige Verfügung rechtzeitig innerhalb einer Frist von einem Monat ab Kenntnisnahme bei Gericht eingereicht worden, was nach ständiger Rechtsprechung des Senats regelmäßig zur Wahrung der Dringlichkeitsvermutung ausreicht.
Der Verfügungsanspruch des Antragstellers hinsichtlich der Angaben zur Mehrwertsteuer und zu den Versandkosten folgt aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG, 1 PAngV. Unstreitig finden sich die entsprechenden Hinweise auf diese Kostenbestandteile erst am Ende des Scroll-Vorganges. Die Verteidigung der Antragsgegnerin trifft nicht den Kern des Vorwurfes. Es kommt nicht darauf an, ob unabhängig von der Länge der Angebotsseite diese Angaben noch auf der Angebotsseite sich mehr oder weniger zufällig finden lassen. Insoweit mag der Leitsatz des Bundesgerichtshofes in seiner Entscheidung Versandkosten (GRUR 2008, 84) missverständlich sein, wenn es dort heißt, dass gegen die Preisangabenverordnung nicht verstoßen wird, wenn nicht schon auf derselben Seite auf Mehrwertsteuer und Versandkosten hingewiesen wird. Entscheidend ist die Zuordnung dieser Angaben zum Preis. Diese Zuordnung muss augenfällig sein, wie immer sie im Einzelfall auch ausgestellt sein mag (BGH GRUR 2008, 532 – Umsatzsteuerhinweis; OLG Hamburg GRURRR 2009, 268). Das ist hier eben nicht der Fall. Die entsprechenden Angaben kommen erst ganz zum Schluss auf der Angebotsseite, wo sie niemand mehr vermutet angesichts des zwischenzeitlichen weiteren Informationsmaterials, das keine Erläuterungen mehr zum Preis enthält. Der Link neben dem Entchen (vgl. Bl. 48 d.A.) betrifft Artikelinformationen und Serviceleistungen, also nicht die Preisinformationen.
Vor allem aber kann der Besteller die Entchen schon in den Warenkorb legen, ohne sich bis zum Ende der Angebotsseite durchgescrollt zu haben. Schon das allein ist nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes „Versandkosten“ (GRUR 2008, 84) ausreichend, um einen Verstoß zu begründen.
Entsprechendes gilt für den Mehrwertsteuerhinweis.
Auch hinsichtlich der Widerrufsbelehrung ist das Verbotsbegehren des Antragstellers entgegen der Ansicht des Landgerichts begründet. Es liegt nämlich ein Verstoß gegen § 312 c BGB vor. Denn der Verbraucher wird über die effektive Fristlänge nicht klar und deutlich genug unterrichtet, innerhalb derer er sich vom Vertrag wieder lösen kann. Denn dies sind angesichts des vorgeschalteten Kaufs auf Probe tatsächlich 28 Tage (BGH NJWRR 2004, 1058). Dies wird durch die Ausgestaltung der Vertragsbedingungen aber nicht hinreichend deutlich. Der Antragsgegnerin mag dabei noch zuzugestehen sein, dass die Belehrung über das Widerrufsrecht isoliert betrachtet noch in Ordnung sein mag. Die Antragsgegnerin mag sich dabei noch an die Musterbelehrung gehalten haben. Ganz stimmt dies zwar auch nicht. Denn nach 3 d) der Gestaltungshinweise soll es bei einem Kauf auf Probe heißen: „… jedoch nicht, bevor …“.
Bei der Antragsgegnerin heißt es stattdessen: „… und auch nicht, bevor …“ (vgl. die Ausgestaltung der AGB Bl. 51 d.A. Anlage ASt 2). Diese Ausdrucksweise der Antragsgegnerin ist sicher weniger deutlich als die der Musterbelehrung.
Entscheidend ist hier aber, dass die Belehrung durch die Voranstellung des Kaufs auf Probe undeutlich wird. Beide Regelungen stehen kommentarlos nebeneinander. Für den Kunden wird so nicht deutlich genug, dass die in den beiden Regelungen genannten Lösungsfristen von jeweils 14 Tagen hintereinander geschaltet sind. Zwar soll das Widerrufsrecht u.a. auch dann erst beginnen, wenn der Kaufvertrag bindend geworden ist. Für den Kunden wird aber nicht hinreichend deutlich, dass damit der Ablauf der Probezeit gemeint ist. Dafür stehen die beiden Regelungen zu unverbunden nebeneinander. Nach der Regelung des Kaufs auf Probe wird die Billigung durch den Ablauf der Probezeit ersetzt. Das steht dort aber nicht so. Vielmehr wird nach der Klausel der Vertrag nach Ablauf von 14 Tagen ohne weiteres bindend. In der Widerrufsbelehrung wird aber gerade auf die Billigung für den Fristablauf abgestellt. Von daher ist der Kunde im Unklaren, der keine ausdrückliche Billigung ausgesprochen hat. Der Fehler liegt deshalb in der Formulierung des Probekaufes. Hier hätte deutlicher erklärt werden müssen, dass die Billigung nach Ablauf der 14 Tage als erteilt gilt. Dann wäre jedenfalls ein ausdrücklicher Bezug zur Widerrufsbelehrung gegeben. Das Ganze könnte noch deutlicher gemacht werden, wenn noch ein weiterer Satz angefügt würde etwa, dass danach erst die Bestimmungen über das Widerrufsrecht eingreifen. Die vorgenommene Hintereinanderschaltung der beiden Regelungsinstitute macht jedenfalls für den Kunden nicht mit hinreichender Deutlichkeit klar, dass beide Fristen hintereinander geschaltet sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91 a ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO.
Vorinstanz: Landgericht Bochum, 17 O 208/09
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